Von Joël Wüthrich

Studieren der “Lineups” – Scouts können sehr gut “zwischen den Zeilen lesen” – Quelle Foto: AllHabs
Thomas Roost ist Eishockey-Scout. In diesem Job ist Disziplin und Fingerspitzengefühl, viel Erfahrung und Hingabe gefragt. Auch wenn er nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Ein Einblick in die Welt des Thomas Roost.
Thomas Roost kennen viele als die Schweizer Referenz im Central Scouting Europe-Büro der NHL. Seit 18 Jahren vertraut man seinen Empfehlungen und Scouting Reports, die er aus Deutschland und aus der Schweiz liefert. „Ich bin aber ein Privilegierter, weil ich diesen Job nur im Teilzeit-Pensum absolviere. So muss ich nicht, wie die meisten anderen Fulltime-Scouts, monatelang aus dem Koffer leben und immer wieder in entlegenen Ortschaften und kalten Hallen einen Knochenjob erledigen. Es ist ein Job, der nicht immer erfreulich verläuft und mit sehr viel Hintergrundarbeit verbunden ist. Ich konnte mir oft die Rosinen herauspicken und an Junioren-Weltmeisterschaften gehen oder internationale Turniere besuchen…“, präzisiert Roost.
Immer wieder wird Thomas Roost auch bewundert und beneidet um seinen Job. Hunderte von Spielen und Spieler zu beobachten, Scouting Reports zu schreiben und viele Reisen zu unternehmen. Das hört sich im ersten Moment sehr spannend an. „Da gibt es aber die Kehrseite der Medaille“, so Roost „Natürlich ist der Job spannend und man hat sehr viel mit interessanten Menschen zu tun. Man beobachtet die jungen Spieler und sie wachsen einem irgendwie ans Herz. Man verhandelt und redet mit den Eltern und versucht zu eruieren, ob der Kandidat ins Konzept des Auftraggebers passt. Es ist ein zeitraubender und schöner Job. Einer aber, der auch seine Schattenseiten hat!“ Tatsächlich gehören zu diesem Beruf auch die knochenharte Arbeit im Hintergrund und ziemliche Entbehrungen im Privatleben. Die Recherchearbeiten sind aufreibend. Auch mit den Enttäuschungen muss man umgehen können.
Siehe auch folgender Filmbeitrag „Aus dem Leben eines Scouts/A Scout’s Life“: http://www.youtube.com/watch?v=AFo-Kza0BEQ

Dennoch hat sich besonders in den letzten drei bis vier Jahren einiges getan, was die Arbeit zwar nicht einfacher und auch nicht geringer macht, jedoch trotzdem erleichtert: Die Addition der neuen technologischen und kommunikativen Hilfsmittel in die tägliche Arbeit.
Roost: „Das Scouting hat sich hinsichtlich dieser technologischer Hilfsmittel stark entwickelt. Heute vergleiche ich Scouting teilweise mit der Tätigkeit unspektakulärer Geheimdienste, die nicht wie James Bond mit attraktiven Autos und Girls gefährliche Situationen meistern sondern stundenlang im Web recherchieren und sich dann eine Meinung bilden. Heute kann man via Live-Stream selbst in guter Qualität unzählige Spiele auch aus Juniorenligen verfolgen – was ich tue. Zudem findet man heute sehr viele Infos und zum Teil Detailstatistiken über Spieler im Web wie auch Meinungen. Diese Meinungen gilt es dann zu filtern: Welche taugen was und welche sind überbewertet. Dies sind neue Aspekte im Scouting, die vor wenigen Jahren noch nicht so ganz aktuell oder erst im Entstehen begriffen waren.“ Aber: Die Präsenz in den Hallen, der persönliche Kontakt mit den Protagonisten und der Aufwand bleiben bestehen, wenn auch in etwas reduzierterer Form als früher.
Die besondere Aufgabe im Einsatz für Clubs
Thomas Roost ist unter anderem auch beim EHC Biel als Chefscout unter Vertrag: „Es ist eine sehr spannende Aufgabe. Besonders die Ausgangslage ist für mich eine schöne Herausforderung. Denn ich kann mittelfristig denken und der Approach, die Herangehensweise ist eine andere als bei grösseren Clubs. Ausgehend von den vorhandenen Ressourcen und der wirtschaftlichen Möglichkeiten hat man in Biel als Scout weniger Spielraum junge Talente zu rekrutieren und dennoch ist die Argumentationslage sehr gut. Denn man kann einem jungen Spieler sehr viele Optionen offerieren und Entwicklungsmöglichkeiten in der Praxis bieten.“
Dies wurde auch oft genug von Cheftrainer Kevin Schläpfer bestätigt. So sagte er beispielsweise 2012 schon: „Bei uns können Spieler relativ bald Verantwortung übernehmen und Eiszeit generieren und sich so natürlich weiter entwickeln. Das ist bei anderen Clubs mit vielen Stars im Team fast nicht möglich oder nur in Ausnahmefällen. So helfen wir uns natürlich auch gleich selber und die jungen Spieler entwickeln sich weiter.“ Thomas Roost ist durchaus gleicher Meinung. Er meint zudem, dass es für ihn aus der Sicht eines Scouts auch noch wichtig ist zu sehen, dass die jungen Spieler nach der Rekrutierung auch richtig gefördert werden: „Es bringt nichts, wenn ein junger Spieler schnell in die erste Mannschaft kommt und dort kaum spielt oder in Spezialsituationen nie zum Einsatz kommt, um dann gleichzeitig als Leader in der Juniorenmannschaft fehlt und sich nicht weiter entwickeln kann. Also gilt die Devise: Gutes Flair beweisen und viel Spielpraxis geben. In der Profi- wie auch in der Nachwuchsmannschaft. Und das passiert in Biel vorbildlich.“
Scouting ist keine exakte Wissenschaft!
Aber Thomas Roost macht dennoch immer wieder ein Fragezeichen hinter seinen Prognosen. Denn das Scouting ist alles andere als eine exakte Wissenschaft: „Ein Scout, der behauptet, dass er sich zu hundert Prozent sicher ist, wie sich ein junger Spieler entwickelt, kann ich nicht ernst nehmen. Denn in der Adoleszenz kann so viel passieren und sehr viele Einflüsse können die frühe Karriere eines jungen Spielers beeinflussen. Ins Positive wie auch Negative. Arbeitswille, Anpassungsfähigkeit und Persönlichkeit sind sehr wichtig. Dann erst kommen das Talent und die körperliche Entwicklung als weitere Faktoren hinzu. Aber selbst dann weiss man nie, ob es einer zum Profi schafft oder nicht, da sonstige Faktoren ganz einfach nicht beeinflussbar sind in der Entwicklung eines jungen Menschen. Es gibt oft familiäre Faktoren oder ein Freundeskreis, den Verlauf der Schul- oder Lehrberufszeit und so weiter, die den Lebenslauf eines Menschen mitbestimmen.“ Und das Glück, am richtigen Ort zur richtigen Zeit und auch noch das richtige Timing zu haben, ins Fahrwasser eines formstarken Teams zu kommen, spiele eben auch eine wichtige Rolle. „Wer das verneint, unterschätzt diesen Faktor ganz einfach!“
Sonnen- und Schattenseiten eines Jobs…

Thomas Roost
Roost sieht sich als Privilegierter unter den vielen Scouts, da er nicht ständig unterwegs sein muss und nun für den EHC Biel in einem überschaubaren geografischen Gebiet tätig sein darf. Davon können viele Scouts, die diesen Beruf als Vollzeitbeschäftigung mit vergleichsweise zum Aufwand geringem Einkommen ausüben, nur träumen. „Manchmal hört man die schlimmsten Geschichten. Zum Beispiel flog ein Kollege von mir in eine entlegene Provinz Russlands und musste erfahren, dass das Juniorenmatch einen Tag zuvor statt fand und man niemanden darüber informierte. Manchmal fliegt oder fährt man stundenlang vergebens irgendwo hin, weil vielleicht auf einmal die Familie des vermeintlichen Talentes nicht mehr mit einem reden möchte und man erfährt es erst dort. Das Tagesgeschäft kann zuweilen wirklich sehr aufreibend sein und nichts Romantisches oder Spannendes beinhalten. Davon blieb ich bisher meistens verschont.“
Scout aus Leidenschaft:
Thomas Roost ist seit 18 Jahren als NHL-Scout tätig. Zuerst für die unabhängige Scouting-Organisation “Red Line Report” in Lake Placid, NY. Seit 1995 arbeitet er für das Central Scouting Bureau der NHL als alleinverantwortlicher Scout für die Schweiz und Deutschland. Er ist zusammen mit dem Europa-NHL Scouting Team für die jährlichen gesamteuropäischen “Spieler-Rankings” verantwortlich. Hauptberuflich ist er als Head Human Resources und Mitglied der Konzernleitung für die Touristikfirma Hapimag in Baar/ZG (1500 MitarbeiterInnen) tätig.
Links:
http://talentscoutroost.blogspot.ch/
http://thefanblog.at/eishockey/tfb-interview-mit-thomas-roost-nhl-scout/